Bruchfahrten … wenn Straßen Bilder kritzeln.

Was passiert, wenn eine Person während einer Autofahrt einfach einen Stift auf ein Papier hält?

Ein Projekt von Bernhard Bauch und Eleonor Winckelstein
Zu sehen im Oderbruchmuseum vom Saisonstart bis in den Frühsommer

Seismografische Straßen-Aufzeichnungen im Oderbruch
Seit einigen Jahren lebe ich nun im Oderbruch – ein flacher, dünn besiedelter, überwiegend landwirtschaftlich dominierter Landstrich 80km östlich von Berlin. Sehr bald wurde mir klar, dass hier auf dem Land ein Leben ohne ein eigenes Auto kaum möglich ist. Die zeitlichen Entfernungen zu meinen ArbSeit einigen Jahren lebe ich nun im Oderbruch – ein flacher, dünnbesiedelter, überwiegend landwirtschaftlich dominierter Landstrich 80km östlich von Berlin. Sehr bald wurde mir klar, dass hier auf dem Land ein Leben ohne ein eigenes Auto kaum möglich ist. Die zeitlichen Entfernungen zu meinen Arbeitsstätten sind jeweils 30 Minuten mit dem Auto; der öffentliche Nahverkehr ist schlecht ausgebaut, deshalb sind die Menschen auf Autos angewiesen und verbringen viel Zeit in diesen.

Und irgendwann war die Frage da: Was passiert, wenn eine Person beim Autofahren einfach einen Stift auf ein Papier hält?

Während meiner Autofahrten durch das Oderbruch hielt meine Projektpartnerin (10) einen Stift auf ein Stück Papier. Die “Zeichnerin” verhielt sich passiv, während die Zeichnung durch die Bewegungen des Autos auf der Straße entstanden. Durch Links- und Rechtskurven markiert der Stift aufgrund der Fliehkraft große Ausschläge. Auf langen, geraden Strecken bleibt der Stift an Ort und Stelle – mehr Farbe wird vom Papier aufgenommen. Bei großen Bodenunebenheiten wurden die Linien auch teilweise unterbrochen, weil der Stift sich vom Papier löste.

Mit jeder Fahrt von einem Ort zum anderen entstand eine neue Zeichnung. Jede entstandene Zeichnung – jede Route – entwickelt je nach Straßenverlauf und Beschaffenheit ihre eigene Form und vielleicht auch eigene Ästhetik.

Fragen an das Projekt

  • Wie werden Zeichnungen aussehen, die von den Straßen angefertigt werden?
  • Werden wiederholte Zeichnungen der gleichen Strecken Ähnlichkeiten aufweisen?
  • Ändert das Projekt die Wahrnehmung der Umgebung vom Fahrer oder von der “Zeichnerin”?
  • Verändert das Zeichen während des Fahrens die Wahrnehmung beim Autofahren?
  • Verändert es das Fahrgefühl oder den Bezug zum Autofahren?
  • Gibt es eine Wechselwirkung auf den Fahrstil, wenn während der Fahrt eine Zeichnung entsteht?
  • und vor allem: Wer zeichnet eigentlich?

Zum Projektverlauf
Begonnen hat das Projekt mit der Auswahl des Stiftes. Es brauchte einige Probefahrten um einen geeigneten Stift zu finden. Die Anforderungen waren bald gefunden: nicht zu dick, weil die Zeichnung sonst plump wirkt und bei längeren geraden Strecken, bei denen der Stift immer an einem Fleck bleibt, die Farbe nicht total ausläuft.

Schon nach einigen Fahrten mit dem richtigen Stift stellte sich bald heraus, dass vor allem auch wegen der Pandemie immer die gleichen Routen auf dem Programm standen. Diese waren:

Fahrten zum Schulbus und am Wochenende, sofern das möglich war, in ein Café. Mit diesem Wissen bemerkten wir bald, dass wir nicht 10 Zeichnungen der gleichen Strecke anfertigen wollen. Es gibt einige Zeichnungen der gleichen Strecke, die können gegenübergestellt werden.

Schlussgedanken
Am Anfang des Projekts stand die Vorstellung, dass Fahrtaufzeichnungen über einem großen Zeitraum eine Menge an verschiedenen Fahrten mit unterschiedlichen Zielen im Oderbruch ergeben würden, und so eine etwas andere Kartographierung der Landschaft oder des Straßennetzes entstehen würde.

Es kam aber ein wenig anders. Denn vor allem durch die Auswirkungen der Pandemie wurden die Reiseziele sehr stark minimiert. Auch wurde bald spürbar, dass die Autonutzung weniger wurde, da es keine Fahrten zur Arbeit, keine oder weniger Fahrten zur Schule oder zu Freizeitangeboten gab. Dadurch konnten leider keine flächendeckenden Aufzeichnungen des Oderbruchs erstellt werden ohne zusätzliche ökonomische und ökologische Belastungen zu erzeugen.
Dennoch: Es sind diese Zeichnungen entstanden!
Den Aufwand, den dieses Projekt bedeutet hat, immer wieder Stift und Papier ins Auto mitzunehmen, die Projektpartnerin zu überzeugen, dass wir doch noch eine Fahrt mit Zeichnung machen, und noch nicht am “Ziel” sind, … kann ich erst jetzt im Rückblick sehen.

Erst mit dem Abschluss des Projekts wurde mir der Reichtum in diesen Zeichnungen bewusst.

Was erkennen, finden oder sehen Sie in diesen Zeichnungen?

Ein Projekt von Bernhard Bauch (38) und Eleonor Winckelstein (10). 


Umsetzungszeitaum September bis Dezember 2020.
Unterstützt durch ein Mikrospendium RL CORONA 2020 vom Land Brandenburg.