Kann man die Geschichte einer Landschaft auch über Persönlichkeiten erzählen? Was für ein Bild ergibt sich dann von diesem Raum? Verfängt man sich in den Fallstricken der Prominenz? Und welche Aufgabe hat ein Museum, wenn es seinen Beitrag für die Erinnerungskultur, für das Gedächtnis einer Region leisten will?
Wir wollten es auf einen Versuch ankommen lassen. Die Recherche begann schon im Jahr 2022, als wir einer Einladung der brandenburgischen Landesvertretung in Brüssel folgten, dort eine Ausstellung über das Oderbruch zu gestalten. Um zu zeigen, dass auch scheinbar abgelegene ländliche Räume mit allen Fasern in die europäische Geschichte reichen, setzten sich Lars Fischer und Landrat Gernot Schmidt zusammen und stellten eine Liste an Menschen auf, die im Oderbruch gewirkt, aus ihm in die Welt gegangen oder aus der weiten Welt hierhergekommen waren, um ihre Spuren zu hinterlassen. Das Ergebnis war verblüffend, sodass wir es auf einen zweiten Streich ankommen lassen wollten und ein Projekt entwickelten, dass Performance und Ausstellung verknüpfen sollte. Anfang November hatte das Experiment Premiere.
Die Geschichte ist einfach: Eine Kiste mit Zeugnissen historischer Persönlichkeiten (gezeichnet auf Pappen) wird auf der Bühne ausgepackt. Es handelt sich um eine Privatsammlung, also müssen sich Kenneth Anders und Lars Fischer als Museumsmacher darüber einig werden, was von öffentlichem Interesse ist. Auf der Suche nach einer schlüssigen Erzählung, die sowohl die vergangenen als auch die gegenwärtigen politischen Abgründe umschiffen muss, und die den Bonus der Prominenz taxieren und persönliche Ängste und Vorlieben reflektieren muss, beginnen sie, mit musikalischer Unterstützung durch Sebastian Blache, zu streiten, zu rezitieren und sogar zu singen. Schließlich breitet sich das Oderbruch als ein Raum aus, der sich mit seinen Höhen und Tiefen, mit Licht und Schatten, mit Triumphen und Niederlagen nicht vor einem Ballungsraum verstecken muss: Im scheinbar verlassenen Dunst der Aue steckt sehr viel europäische Geschichte. Das Oderbruch ist eine, Pfanne, nicht nur topografisch, sondern auch sozial, ein Schmelztiegel, in dem viele ihre „Zutaten“ zu einer eigenen Kultur beitragen. Diese Pfanne wiederum kann vieles aufnehmen und verarbeiten, was die Menschen in der Region befähigt, mit wechselnden Herausforderungen fertig zu werden.
Die Aufführung fand in der Kirche Altranft statt. Zu guter Letzt trug das Publikum die von Antje Scholz gezeichneten Karten mit verschiedensten Objekten über den Anger hinweg ins Schloss, um sie dort in einer vorbereiteten Ausstellung im Speisesaal zu platzieren: den Zeichenstift von Schinkel, getrocknete Lehmziegel von Gilly, ein Radio, auf dem Günter Eichs Hörspiele gelaufen sind, Treibhäuser von Willem Arie van Spronsen, eine Schurschere von Albrecht Daniel Thaer, der Zirkel von Leonhard Euler, ein Porträt von Erika Stürmer-Alex, eine Rote Fahne von Rudi Bahro, das Stethoskop von Koyenuma, die Mundharmonika von Wolfram Bodag und viele, viele andere… Alle fanden ihren Platz und können nun – mit dem Begleittext der Revue betrachtet und studiert werden. Gerade dieser gemeinsame Abschluss brachte die Grundidee des Stücks gut zum Ausdruck, denn mit Vorsicht und Aufmerksamkeit trugen die Gäste „ihre“ Bilder ins Schloss und hatten dabei das ganze Panorama im Blick:
Kommst du kurz oder bleibst du fest,
dein Leben hier auszuhauchen;
gleich, was du uns hinterlässt:
Wir können alles gebrauchen!
In unsrer Pfanne, dem grünen Tal,
verschmelzen wir Böses und Gutes,
und sind, wenn‘s Not tut, beim nächsten Mal,
gewappnet und frischen Mutes.
Die Produktion wurde von Kulturland Brandenburg im Themenjahr „Welten verbinden“ gefördert. Wer eine Aufführung der Revue zu sich einladen möchte, wende sich an das Oderbruchmuseum.
Kenneth Anders


