Der versteckte König

Gabriele Axmann am Spinnrad in den Letschiner Heimatstuben. Alle Fotos: © Michael Anker

Reise durch die Kulturerbe-Orte des Oderbruchs – Episode 15

In dieser Episode, in Letschin, stoßen wir wieder auf zwei bekannte Namen, Fontane und Friedrich den Großen, sowie auf einen weit zurückliegenden Mord. Vorerst besuchen wir aber einen weiteren Kulturerbe-Ort, die Letschiner Heimatstuben. Am Eingang des alten Fachwerkhauses warten bereits dessen Leiter Edgar Petrick und die Vorsitzende des Heimatvereins, Gabriele Axmann, um uns durch die Sammlung zu führen und spannende Geschichten zur Entwicklung Letschins zu erzählen.

Der Birkenweg, eine kleine Gasse die früher Leichengang hieß, führt zu den Heimatstuben. Sie war einst der Weg von der Kirche zum Friedhof. Etwa um 1838 wurde dort das ehemalige Lehrerwohnhaus erbaut, in dem sich heute die Heimatstuben befinden. In den unteren Etagen waren vier Wohnungen untergebracht, jeweils eine Stube und eine Kammer. Im Flur befand sich um einen Mantelschornstein herum die sogenannte schwarze Küche. „Man vermutet, dass ab 1892 im ehemaligen Lehrerwohnhaus alte und pflegebedürftige Einwohner ohne eigenes Vermögen Unterkunft und Fürsorge fanden. Alte Letschiner kennen das Gebäude noch unter dem Namen Armenhaus. Später wurde es dann als normales Wohnhaus genutzt“, erzählt Edgar Petrick. Nachdem das Haus 1990 in die Kreisdenkmalliste aufgenommen wurde, beschloss die Gemeinde umfangreiche Sanierungen. Im Februar 1994 wurde das kleine Dorfmuseum offiziell eingeweiht. „Vor diesem Termin existierte schon der Grundstock des Fundus zur Geschichte Letschins, die im Wesentlichen auf die Sammlung des Quappendorfer Lehrers Ernst Tietze und die Arbeit von Alfred Böhme im DDR-Kulturbund zurückgehen. Die Sammlungsstücke waren bis dahin in der ehemaligen Schule untergebracht“, so Edgar Petrick. Drei Monate zuvor, im Dezember 1993 gründete sich der Letschiner Heimatverein, der fortan das Museum betreuen sollte. 

In den Morgenstunden des 12. Novembers 1999 schlugen Flammen aus dem Dachstuhl der Heimatstuben. Mobiliar und ein Teil der historischen Kleidersammlung wurden Opfer des Feuers. Fast alle Exponate im Erdgeschoß, so zum Beispiel die Biedermeier-Möbel des Fontane-Zimmers, konnten hingegen gerettet werden. Anfang 2001 konnte das Dorfmuseum wiedereröffnet werden. Die Heimatstuben sind nicht nur ein musealer Ort, sondern sie werden von der Gemeinde aktiv genutzt. Die Senioren treffen sich, die Kreismusikschule probt und Ortsbeitratssitzungen werden dort abgehalten. Edgar Petrick verweist zudem auf das umfangreiche Jahresprogramm des kleinen Museums mit Lesungen, Ausstellungen und Vorträgen.

Warum befindet sich im Erdgeschoss ein Fontane-Zimmer? Gabriele Axmann klärt auf. „Von 1838 bis 1850 betrieb Theodors Vater Louis Henri die Apotheke in Letschin. Am nördlichen Kreisverkehr steht eine Büste des Salbenmischers an der Stelle, wo sich einst seine Wirkungsstätte befand. In jenem Haus machte der Apotheker und spätere Schriftsteller Theodor Fontane in den 1840er Jahren ein Praktikum bei seinem Vater.“ Gabriele Axmann hält eine weitere Überraschung für den neugierigen Besucher bereit. Es scheint wohl so zu sein, dass Fontane seine bekannte Kriminalnovelle „Unterm Birnbaum“ in Letschin angesiedelt hat. Im Gasthof „Zum alten Fritz“ sei die Romanfigur Szulski gewaltsam zu Tode gekommen und vom Gastwirt Abel Hradscheck im Keller verscharrt worden. Die alte Nachbarin Jeschke beobachtet in der Mordnacht eine verdächtige Szene: Trotz eines starken Sturms gräbt Hradscheck ein Loch im Garten unter dem Birnenbaum. Dort sucht die Polizei aber vergeblich und findet nur das 20 Jahre alte Skelett eines französischen Soldaten. Dem Gastwirt kann das plötzliche Verschwinden Szulskis nicht zur Last gelegt werden. Letztlich kommt auch Hradscheck unter mysteriösen Umständen im Keller zu Tode. Soweit Gabriele Axmanns kurze Zusammenfassung des Inhalts des Fontane-Krimis.

Der Letschiner Gasthof „Zum alten Fritz“ ist seit Jahren geschlossen. Seinen Dornröschenschlaf bewacht indes der alte Preußenkönig selbst. Auch er hat eine bewegte Geschichte zu erzählen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden auf dem Gebiet der ehemaligen DDR unter anderem alle Statuen der Preußenzeit als militaristisch abgelehnt und entfernt. So auch das bronzene Standbild des im Oderbruch verehrten Preußenkönigs Friedrich II. Die Bewohner Letschins retteten das, vom Bildhauer Hans Weddo von Glümer, 1905 geschaffene Werk vor dem Einschmelzen und versteckten es in einer Scheune. Dort stand der Alte Fritz unbehelligt viele Jahre. Für Kundige war sein Versteck ein offenes Geheimnis. Selbst für die in der DDR beliebte Fernsehsendung „Außenseiter-Spitzenreiter“ wurden 1984 die Scheunentore geöffnet. Zur 650 Jahrfeier Letschins im Juni 1986 holten Mitglieder des Kulturbundes und der Wirt des Gasthofs „Zum alten Fritz“ den König aus der Scheune und stellten ihn in der Nacht vom Samstag zum Sonntag auf dem Marktplatz auf. Die Stasi bekam davon Wind und entfernte das Denkmal. Inzwischen bestand längst keine Gefahr mehr für die Statue, denn in der DDR hatte ein Umdenken über Friedrich den Großen eingesetzt. Die Figur wurde zum Restaurieren nach Potsdam gebracht und nur dem andauernden, energischen Nachfragen der Letschiner Mitglieder des Kulturbundes ist es zu verdanken, dass sie nicht irgendwo verschwand. Im Juni 1996 wurde der Alte Fritz wieder in Letschin aufgestellt.

Heimatstuben Letschin, Birkenweg 1, 15324 Letschin, Telefon: 033475 50797
www.letschin.de/tourismus/letschiner-heimatstuben

Weitere Informationen zu den Kulturerbe-Orten finden Sie unter: www.oderbruchmuseum.de/kulturerbe-orte.
Bisher erschiene Episoden können Sie unter folgendem Link lesen: https://blog.oderbruchmuseum.de/category/reise-durch-die-kulturerbe-orte.