Ein ganzer Mensch

Nachruf auf Peter Herbert

Das Oderbruch hat schon immer Menschen angezogen, welche die Freiheit dieser Landschaft zu schätzen wussten. Einer davon war Peter Herbert.

1956 in Halle (Saale) geboren, wuchs er als „behütetes Kind“ in Berlin-Friedrichshagen auf, wie er es selbst formulierte. Sein Elternhaus vermittelte ihm eine naturwissenschaftliche Weltsicht, mit zehn Jahren trat er in die „AG Junger Naturforscher“ ein, seither sammelte und bestimmte er als ehrenamtlicher Feldforscher die Käfer seiner Umgebung. Seit 2006 sammelte er nur noch Käfer aus dem Oderbruch, so konnte er 2022 in einer eigenen Ausstellung eine beeindruckende Bilanz ihrer Artenvielfalt in dieser Landschaft präsentieren.

Herbert studierte Pflanzenproduktion in Berlin, arbeitete in der Datenverarbeitung der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, später am Institut für Museumswesen in Berlin und beim Museumsverband des Landes Brandenburg in Potsdam. Da er sich gern von den Dingen inspirieren ließ, wurde er selbst zu einem leidenschaftlichen Sammler, so gesellten sich zu den Käfern bald Ölkännchen, historische Senftöpfe, Dachziegel und vieles mehr. Sein sachkulturelles Wissen war enorm, meist konnte er die Objekte nach ihrem Alter und ihrem Verwendungszusammenhang in faszinierender Weise einordnen.

Seine kurioseste Sammlung geht schon auf die DDR-Zeit zurück: Einer Wette im Freundeskreis folgend, begann er, missgebildete Streichhölzer zu sammeln und sie nach naturwissenschaftlichen Methoden zu klassifizieren. Die auf diese Weise entstandene Lehre der „Lumomonsterologie“ schaffte es bis in die Fernsehsendung „Außenseiter – Spitzenreiter“, was einen weiteren Zustrom an missgebildeten Streichhölzern aus dem ganzen Land zur Folge hatte. Die Sammlung, in ordentlichen Schaukästen präsentiert und mit einem peniblen Bestimmungsbuch versehen, befindet sich heute im Eigentum des Museums der Dinge Berlin.

Durch seinen Umzug in das Oderbruch im Jahr 1995 öffneten sich Herbert viele Tätigkeitsfelder. Er schloss neue Freundschaften, lernte die Künstlerszene kennen und gründete die Hofgesellschaft Neulewin zur Erhaltung alter Häuser und Höfe durch alte Baustoffe und gegenseitige Hilfe. Der Verein ist immer noch aktiv, viele Häuser tragen sein Zeichen; drei Rübenheber, die sich wie Menschen die Hand zu reichen scheinen.

Später entwickelte Peter Herbert mit dem Looser Senf eine eigene Speisesenfproduktion „von furchtbarer Schärfe“, seither sah man ihn auf vielen regionalen Märkten seine Produkte feilbieten. Zur Entwicklung neuer Sorten arbeitete er mit der Wriezener Senfproduzenten Sven Durau zusammen.

Von 2016-2021 war Peter Herbert Sammlungsbetreuer am Oderbruch Museum Altranft. Er übernahm die Sammlung des Freilichtmuseums Altranft mit Respekt, ordnete neu, sonderte vorsichtig überflüssige Objekte aus und öffnete so nach und nach den Sammlungsbestand wieder für eine museologische Nutzung. In dieser letzten Phase seines Arbeitslebens wurde er als vielseitiger, kompetenter und beständiger Kollege und Freund von vielen ins Herz geschlossen.

Im letzten Jahr seiner Berufstätigkeit erkrankte Peter Herbert an ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), einer fortschreitenden Schädigung der Nervenzellen, die zu einer vollständigen Lähmung der Muskeln führt. Er stellte sich dieser Krankheit als ganzer Mensch, in sachlicher Annahme des Unvermeidlichen, in Dankbarkeit für das gelebte Leben, in Geduld und Umsicht. Seine Lebenspartnerin Claudia Liese begleitete ihn in diesen Jahren, die aufgrund dieser Unterstützung wohl auch für ihn selbst zu einer wertvollen Zeit wurden. Für seine Freunde blieb er in den letzten Jahren nahbar und heiter. Er wohnte am Waldhaus der Stephanus-Werkstätten Bad Freienwalde und nahm trotz schwindender Kräfte am gesellschaftlichen Leben teil. Im November 2023 erschien mit „Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit“ eine autobiografische Sammlung mit Texten und Interviews.

Am 13. Oktober ist Peter Herbert gestorben.

Kenneth Anders