Europäisches Kulturerbe-Siegel in greifbarer Nähe

Sturmerprobte Akteure kämpfen im Oderbruch um das Europäische Kulturerbe-Siegel. Foto: Michael Anker

Die Bewerbung des Oderbruchs ist einer von zwei Vorschlägen, die von der Bundesrepublik Deutschland in das Rennen um das Europäische Kulturerbe-Siegel geschickt werden. Wie die Kulturministerkonferenz am 14. Oktober 2020 bekannt gab, wird sie die Bewerbung aus dem Oderbruch einer europäischen Jury zur Bewertung vorschlagen. Mit dem Oderbruch würde erstmals eine gesamte Kulturlandschaft durch das Europäische Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.

Bei Kenneth Anders, dem Programmleiter des Oderbruch-Museums Altranft, und seinem Team ist die Freude groß: „Mit der Nominierung unserer Bewerbung werden fünf Jahre gemeinsame Arbeit im Oderbruch gewürdigt – Kommunalpolitik und Kultur, Ehrenamt und Verwaltung, Nord und Süd, viele unterschiedliche Akteure haben an einem Strang gezogen. Wir danken allen, die uns unterstützt haben und freuen uns sehr, dass wir unsere Bewerbung nun zusammen in Brüssel vorstellen können.“ 

Die Bewerbung um das Europäische Kulturerbe-Siegel wurde im Herbst 2019 im Auftrag der Oderbruchkommunen durch den Landkreis Märkisch-Oderland dem Land Brandenburg überreicht. An dem Vorhaben waren zahlreiche Kultureinrichtungen, Privatpersonen und Unternehmen beteiligt, die sich seit 2015 für die Bewerbung einsetzten. Im Februar dieses Jahres gründeten die Oderbruch-Kommunen gemeinsam mit dem Landkreis Märkisch-Oderland eine kommunale Arbeitsgemeinschaft, die die Bewerbung koordiniert und deren Ziel es ist, die kulturellen Besonderheiten in der Region besser in Wert zu setzen. 

Das Oderbruch steht exemplarisch für die Zukunft des ländlichen Raums in Europa. In historischer Perspektive verdankt sich die Kulturlandschaft zudem dem avanciertesten ingenieurtechnischen Wissen Europas im 18. Jahrhundert. Sie steht für eine Naturaneignung in großem Maßstab, denn ihr Wassersystem wurde über zehn Generationen hinweg stetig optimiert. Durch die Einwanderung aus vielen Teilen Europas, ist das Oderbruch heute ein besonders vielfältiger ländlicher Raum. Seine Siedlungsgeschichte hat sich in einer außergewöhnlich hohen Dichte an Baudenkmalen niedergeschlagen und ist in Form von Fischerdörfern, Kolonistendörfern und Loosegehöften bis heute für Besucher sehr gut ablesbar. Bereits im Jahr 2016 begann das Oderbruch Museum Altranft – Werkstatt für ländliche Kultur ein Netzwerk von Kulturerbe-Orten aufzubauen, das in der Bewerbung die wichtigste Grundlage für ein attraktives Vermittlungsangebot darstellt. Die ausgewiesenen Kulturerbe-Orte sind die kulturtouristischen Highlights des Oderbruchs. Sie werden in einer Ausstellung im Museum, in Broschüren und digitalen Medien präsentiert. Von der Heimatstube Hohensaaten bis hin zum Haus Lebuser Land in Lebus sind heute mehr als 30 Kulturerbe-Orte im Netzwerk vertreten.

Hintergrund: Das Europäische Kulturerbe-Siegel ist eine europäische Initiative, mit der seit 2013 Kulturerbe-Stätten ausgezeichnet werden, die die europäische Einigung sowie die Ideale und die Geschichte der EU in besonderer Weise symbolisieren und verdeutlichen. Neben der KZ-Gedenkstätte Natzweiler und den Leipziger Musikstätten tragen in Deutschland unter anderem die Rathäuser von Osnabrück und Münster sowie das Hambacher Schloss das Europäische Kulturerbe-Siegel. Die Bewerbung unterliegt einem zweistufigen Bewerbungsverfahren. In der ersten Stufe entscheidet die Kulturministerkonferenz darüber, welche Bewerbung an die europäische Jury weitergegeben wird. In dieser Stufe darf jeder Mitgliedsstaat nur zwei Stätten vorschlagen. In der zweiten Bewerbungsrunde, entscheidet die europäische Jury über die Vergabe. Das Kulturerbe-Siegel wird durch die Europäische Kommission verliehen.