Reise durch die Kulturerbe-Orte des Oderbruchs – Episode 7
Kulturerbe im ländlichen Raum gedeiht meist im Kleinen, im Verborgenen und hat oft eine begrenzte regionale Bedeutung. Aus Möglin aber strahlt ein Name deutschlandweit und darüber hinaus. Dort befand sich Anfang des 19. Jahrhunderts ein bedeutendes agrarwissenschaftliches Mustergut, in dem Landwirtschaftsgeschichte geschrieben wurde.
Die Bewertung durch unseren Reisebegleiter Theodor Fontane fällt durchaus euphorisch aus. „Etwa eine halbe Meile vom Westrande des Oderbruchs entfernt liegt Möglin, ein nur zwölf Häuser zählendes, weder durch Größe noch Bodenbeschaffenheit ausgezeichnetes Dorf, dem nichtsdestoweniger der Ruhm zufiel, in alter und neuer Zeit unter den historischen Dörfern des Landes genannt zu werden.“ Der märkische Dichter wusste genau wer hier gewirkt hatte: Albrecht Daniel Thaer, der bedeutendste Agrarreformer im deutschsprachigen Raum. Sein Wirken erschließt sich am Besten durch einen Besuch in dem kleinen, feinen, 2009 neu eingerichteten Museum, in dem unter anderem ein erhaltener Pflug der Familie Thaer von 1796 zu sehen ist.
Albrecht Daniel Thaer praktizierte zunächst als Arzt in Celle, dem Ort wo er 1752 das Licht der Welt erblickte hatte. Sein Beruf schien ihn nicht recht zu befriedigen. „Er konnte wohl kein Blut sehen, was für einen Arzt nicht sehr gut ist“, konstatiert Jutta Füßl, die uns durch die Ausstellung führt. Auch verzweifelte er wohl an den seinerzeit bescheidenden Möglichkeiten, Kranken zu helfen. Immerhin ist in Möglin die Doktorarbeit des Arztes ausgestellt. Bald erschien Thaer vielmehr der Ackerbau als „die schönste, segensreichste Heilkunst“ der er sich widmen wollte. In ihm reifte die Erkenntnis, mit ausreichenden Mengen guter Lebensmittel den Menschen mehr zu dienen, als mit der Medizin. „Er kaufte sich in Celle ein geräumiges Haus und wandte sich mit Vorliebe der Blumenzucht zu. Es sprach sich hierin schon dieselbe Neigung für das »Prinzip der Kreuzung« aus, dass er später, innerhalb der Tierwelt, so glänzend durchführte“, weiß Fontane zu berichten. Nach und nach erwarb Thaer weitere Grundstücke, bis eine kleine Wirtschaft entstand und aus dem Arzt auch ein Landwirt wurde. Mit seinen Experimenten wollte er den größtmöglichen Ertrag aus dem Acker erwirtschaften. „Er wollte durch sein eigenes Beispiel zeigen, wie man den Ackerbau, mit höchstem Unrecht, nur als ein Handwerk, ja oft noch geringer ansehe, in der Meinung, daß weniger Kunst dazu gehöre, einen Acker zu bestellen, als einen Schuh zu machen.“
Dies waren die Anfänge der „rationellen Landwirtschaft“ und seines wissenschaftlichen Landbaus. Thaer verdanken wir die „Lehre von der Fruchtfolge“. Seit Thaer wissen wir, dass eine optimale Fruchtfolge den Humus-, Wasser- und Nährstoffgehalt des Ackerbodens sichern kann. Inzwischen hat es allerdings den Anschein, dass die Bedeutung dieser Lehre in der industriellen Landwirtschaft schwindet, mit negativen Folgen für die Bodenqualität. Thaer erkannte auch, dass es nicht nur auf eine Fruchtfolge ankommt, sondern auch eine genaue Kenntnis des Bodens vorausgehen muss. Seine, aus der praktischen Arbeit und aus Studien englischer Publikationen abgeleiteten, Theorien wurden ein großer Erfolg. So folgte, auf noch zwanglose Vorlesungen in Celle, 1802 die erste landwirtschaftliche Lehranstalt in Deutschland.
Der Wiederausbruch des Krieges zwischen Frankreich und England sowie die Besetzung Hannovers durch Napoleon, zwangen Thaer seine Heimat zu verlassen. Gute Beziehungen zu Hardenberg, Itzenplitz und zur Frau von Friedland sorgten dafür, dass man ihn in Preußen mit offenen Armen empfing. Nicht weniger als eine königliche Order Friedrich Wilhelms III. sicherten ihm unter anderem: „außer der Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften und dem Charakter als Geheimer Kriegsrat, folgende Zugeständnisse: 1. drei bis vierhundert Morgen Acker des Amts Wollup in Erbpacht; 2. die Erlaubnis, diese Erbpacht zu veräußern und ein Rittergut dafür zu kaufen; 3. Schutz und Begünstigung des landwirtschaftlichen Instituts.“
Der Verkauf seiner Erbpacht an einem Teil der Domäne Wollup ermöglichte Thaer 1804 den Erwerb des Rittergutes der Barfuse von Möglin. Dort baute er mit Hilfe seines Wirtschaftsführers Koppe eine „moderne“ Schafzucht auf. Die von ihm entwickelten Kreuzungen und Züchtungsverfahren ermöglichten die „Herstellung einer ausgezeichneten Wolle, der besten, die bis dahin in Deutschland produziert worden war“, schreibt Fontane. Und weiter: „speziell auf dem Gebiete der Schafzucht ward er mehr und mehr eine europäische Autorität.“ Zeitweise zählten Thaers Schafherden über 1000 Mutterschafe und er wurde der Wollkönig von Deutschland genannt, erzählt Jutta Füßl. Effizientes wirtschaften sicherte ihm ein zuverlässiges Einkommen und die Möglichkeit zu investieren. So schreibt er: „Die Kunst richtig zu berechnen ist also für den Landwirth ebenso wichtig, wie die Kunst den Acker richtig zu bestellen“. Thaer wandte auf seinem Gut bereits die doppelte Buchführung an. Als einer der Gründungsprofessoren, der heutigen Humboldt-Universität, gab er dort in den Wintersemestern 1810 bis 1819 Vorlesungen in Kameralwissenschaft, was der heutigen Betriebswirtschaft entspricht. Eines seiner größten Verdienste sei aber die Ablösung der Drei Felder-Wirtschaft durch den Fruchtfolgewechsel, so Jutta Füßl.
Die Weitergabe seiner Erkenntnisse war Thaer wichtig und nach seiner Ankunft in Möglin begann er 1806 mit dem Betrieb seiner landwirtschaftlichen Lehranstalt, welche 1819 durch den Preußenkönig das „Prädicat einer akademischen Lehr Anstalt des Landbaues“ erhielt. Die Anfangsjahre waren zwar noch vom Krieg überschattet doch „mit dem Frieden kamen gesegnetere Zeiten, und wie Thaer, während des letzten Jahrzehnts, das ihm noch zu leben und zu wirken vergönnt war, seinen Ruhm wachsen und die verschiedenen Zweige seiner Wirtschaft prosperieren sah, so wuchs auch das Institut“. Fontane räumt der Lehranstalt eine ähnlich große Bedeutung ein, wie die der Forstakademie im nahen Eberswalde. Nach nur 55 Jahren stellte die Akademie allerdings ihre Lehre ein, da sie weit abgelegen und aufgrund konkurrierender Institute nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben war.
Kulturerbeort: Thaer-Ausstellung Möglin, Hauptstr. 10, 15345 Reichenow-Möglin OT Möglin, 033456 35164, www.albrecht-daniel-thaer.org
Bisher erschiene Episoden können Sie unter folgendem Link lesen: https://blog.oderbruchmuseum.de/category/kulturerbe.
Weitere Informationen zu den Kulturerbe-Orten finden Sie unter: www.oderbruchmuseum.de/kulturerbe-orte. Die Broschüre „Schau ins Bruch“ führt Sie durch das Oderbruch. Sie ist an touristischen Punkten und im Museum kostenlos erhältlich.