Ein Plädoyer für starke Nerven

Helgard Haug im Austausch mit Kenneth Anders

Das Oderbruch Museum in Altranft hat sich in den vergangenen Jahren neu erfunden. Davon wollte sich die Theatermacherin Helgard Haug von Rimini Protokoll ein Bild machen. Ein Museumsbesuch im Lockdown während der Corona Pandemie war nicht möglich, stattdessen hat sie sich mit dem Programmleiter Kenneth Anders über seine und ihre Arbeit online ausgetauscht. Die Fragen, die beide dabei interessierten: Wie bringt man Menschen zusammen? Wie lernt man voneinander? Wie können Theaterstücke und die Museumsarbeit in offeneren Arbeitszusammenhängen gelingen? Dabei haben sie viele Gemeinsamkeiten entdeckt.

12.2.2021

Helgard: Guten Morgen Kenneth,
Ich wurde eingeladen, ‚meinen Blick‘ auf deine/eure Arbeit zu werfen. Ich wusste von deiner/eurer Arbeit, war aber noch nie vor Ort.
Das Museum ist derzeit geschlossen. Eine Verabredung platzte. Nun haben wir beschlossen, in einem Briefwechsel ins Gespräch zu kommen und die Blicke hin und her zu werfen. Der Briefwechsel ist ein Online-Dokument, in das wir beide aus unterschiedlichen Maschinen und Zeiten hineinschreiben.
Ein Experiment.
Und das ist ja schon mal gut! Die Experimentierfreude eint uns. Und vielleicht ist es gut, am Anfang auf Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zu sprechen zu kommen: Schnell ist gegoogelt: Wir sind beide im selben Jahr – 1969 – geboren. Unschwer und vielleicht nicht so wesentlich: Du als Mann, ich als Frau. Doch an sehr verschiedenen Orten: Du im Osten, ich im Westen.
Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen – Du auch, wenn ich das richtig lese.
Wir haben studiert – beide ‘was mit Kultur’ – beide etwas, was den Blick schärft und Werkzeug bereitstellt, diese Gesellschaft zu beschreiben.
Forschen, schreiben, inszenieren – Menschen einbinden. Kommunizieren. Sich mit anderer Menschen Blicke und Perspektiven beschäftigen. Nun leitest du u.a. ein Museum, auf dem Land, im Osten. Ich mache Theater, in Metropolen dieser Welt. Immer auch angetrieben von der Frage, wie ich das „Hier und Jetzt“ reflektieren und befragen kann und die Geschichten, die ich ‚auf der Straße‘ finde, in Theaterstücke oder Installationen verwandeln kann.

Kenneth: Dass es in unserem Fall ein Museum geworden ist, war eigentlich Zufall. Genau in jener Zeit, als TRAFO und die Kulturstiftung des Bundes mit uns über ein Kulturprojekt für unsere Region im Gespräch war, sollte das Freilichtmuseum Altranft geschlossen werden. Es führte damals fast kein Weg an der Auseinandersetzung mit dieser Kulturinstitution vorbei. Allerdings kamen wir gar nicht aus der Museumsarbeit, im Gegenteil: Als Kulturwissenschaftler, die sich für Landschaft, Kommunikation und Regionalentwicklung interessierten, war uns die Rückbindung an historische Objekte zunächst eher fremd. Formen des Theaters oder der bildenden Kunst lagen uns näher. Wir mussten uns den Museumsbegriff wirklich erst aneignen, was natürlich auch hieß, innerhalb der hier etablierten Standards bestehen zu müssen. Das war nicht immer einfach. Ich habe mich manchmal gefragt, ob mein Hintergrund als Ostdeutscher, der noch dazu im nicht weit entfernten Eberswalde aufgewachsen ist, diesen Weg begünstigt hat. Vielleicht ist das der Fall. Dennoch würde ich lieber einen universalistischen Blick auf diese Arbeit werfen: Grundsätzlich kann man überall versuchen, ein solches kommunikatives Kulturprojekt zu entwickeln, auch wenn sich die Mittel und Wege von Region zu Region unterscheiden werden.

H: Würde ich eines Tages doch noch in dein Museum das “Oderbruch Museums Altranft” kommen, was würdest du mir zuallererst zeigen?

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